Stichpunkt

Vereinigung Linden Hannover

Auf Augenhöhe – die zwei nebeneinander liegenden Städte Linden und Hannover, Continental-Landstraßenatlas 1913   Sammlung Engel / Franke

1.1.1920

Die Eingemeindung Lindens nach Hannover

Mit Ende des Ersten Weltkriegs geht in Deutschland auch die Monarchie zu Ende. Der Kaiser muss abdanken und ins Exil nach Holland gehen. Der konservative Stadtdirektor Heinrich Tramm setzt sich in den Revolutionstagen im November 1918 nach Berlin ab und erklärt von dort seinen Rücktritt als Stadtdirektor Hannovers.

Seit 1891 steht Tramm dem Magistrat Hannovers vor. In die „Ära Tramm“ fallen die Eingemeindungen der Vororte Herrenhausen, List, Hainholz, Vahrenwald, Stöcken, Bothfeld, Groß-Buchholz, Döhren, Wülfel und Kirchrode. Er ist somit der eifrigste „Eingemeinder“, den Hannover jemals hatte. Nur eine Stadt mag der „rüstige Kämpe Heinrich Tramm“ (Schickenberg von der DDP) gar nicht haben, das jenseits der Ihme gelegene Linden.

Tramm bleibt nicht lange in Berlin, bereits im Februar 1919 kehrt er zurück nach Hannover und mischt sich wieder vor Ort in die Politik ein. Aus den am 23.2.1919 abgehaltenen Bürgervorsteherwahlen in Hannover und Linden gehen die Sozialdemokraten als Sieger hervor. Hannover bekommt zum ersten Mal einen Oberbürgermeister, den Sozialdemokraten und erklärten Eingemeindungsbefürworter Robert Leinert.

Leinert und Tramm liefern sich im Magistrat und bei den Sitzungen der Eingemeindungskommissionen heftige Duelle. Die erste Runde geht eindeutig an Leinert, die Vereinigung der Städte Hannover und Linden wird beschlossen und am 1.1.1920 umgesetzt. Aber schon fünf Jahre später steht Tramm als Sieger da. Er ist entscheidend an der Ablösung Leinerts durch Artur Menge (Amtseinführung 15.8.1925) als Oberbürgermeister beteiligt. [1]

Die Verhandlungen des Magistrats Hannover mit den Vertretern der Stadt Linden sind in einer 60-seitigen Schrift dokumentiert, die 1919 vom Magistrat der Stadt Hannover herausgegeben wurde. Der Titel lautet: Betr. Vereinigung der Städte Hannover und Linden. Obwohl es sich de facto um eine Eingemeindung Lindens nach Hannover handelte, denn Linden wurde ein Teil Hannovers, scheint der häufig auftauchende Begriff „Vereinigung“ mit Bedacht gewählt zu sein. Er vermeidet den Eindruck von ungleichen Partnern und drückt Respekt gegenüber dem kleineren Partner aus.

Ein Exemplar dieser seltenen Schrift befindet sich im Privatbesitz von Horst Deuker, der sie auf dem Flohmarkt in Hannover „für ein paar Mark“ erstanden hat. Deuker hat auch in einem längeren Aufsatz wichtige Punkte aus der Schrift zusammengefasst und kommentiert.

Titelseite der Schrift Betr. Vereinigung der Städte Hannover und Linden, 1919 herausgegeben vom  Magistrat der Stadt Hannover   Digitales Stadtteilarchiv,    Sammlung Deuker

Die in der Schrift enthaltenen Anlagen dienen der Vorbereitung einer Sondersitzung des Bürgervorsteherkollegium am 31.10.1919. Oberbürgermeister Leinert erläutert am Anfang, um welche Unterlagen es sich handelt:

  • eine Denkschrift des Statistischen Amtes (S. 1 ff.),
  • eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Eingemeindungsfrage (S. 15 ff.),
  • Niederschriften von den Verhandlungen der Kommissionen und Unterkommissionen (S. 18 ff.),
  • Drucksachen für die Kommissionsverhandlungen (S. 53 ff.),
  • Entwurf zu den „Bedingungen“ und „Anderweitigen Vorschriften“ der Vereinigung (S. 68 ff.).

Die Schrift wird in der Sammlung Deuker in vier Teilen wiedergegeben.

Teil 1 (bis S. 17)

  • Oberbürgermeister Leinert: Schreiben an das Bürgervorsteherkollegium v. 15.10.1919, S. II
  • Magistratsvorlagen an das Bürgervorsteher-Kollegium, Nr. 1, April 1919: Wirtschaftliches und Finanzielles zur Eingemeindung Lindens, S. 1
  • Vergleichende Finanzübersicht, S. 11
  • Aus den Mitteilungen für die Mitglieder des Bürgervorsteher-Kollegiums der Stadt Hannover, X. Jahrgang, Nr. 78: Die geschichtliche Entwicklung der Eingemeindungsfrage, S. 15

Teil 2 (S. 18 bis S. 32)

  • Protokolle über die Verhandlungen der Eingemeindungskommission, Sitzung am 14.6.1919, S. 18
  • Gemeinschaftliche Sitzung der Eingemeindungskommissionen für Hannover und Linden am 30.6.1919, S. 22
  • Sitzung der Unterkommission der Eingemeindungskommissionen für Hannover und Linden am 19.8.1919, S. 28

Teil 3 (S. 33 bis S. 52)

  • Sitzung der Eingemeindungskommission am 2.9.1919, S. 33
  • Sitzung der Eingemeindungskommission am 15.9.1919, S. 43

Teil 4 (S. 53 bis S. 69)

  • Magistrat der Stadt Linden: Drucksachen zu den Protokollen über die Kommissionssitzungen, u.a. Wahlergebnisse Bürgervorsteherwahlen v. 23.2.1919 (S. 53) / Zustand der städtischen Gebäude in Linden (S. 53) / Bauordnung und Bebauungspläne (S. 54) / Entwässerungsanlagen der Stadt Linden (S. 54) / Straßenbaulichen Verhältnisse der Stadt Linden (S. 57)
  • Ergänzung zu der Denkschrift zum 15. Juli d. Js. über die Entwässerungsanlagen der Stadt Linden, S. 64
  • Ergänzung zu der Denkschrift zum 15. Juli d. Js. über die straßenbaulichen Verhältnisse der Stadt Linden, S. 66
  • Zusammenstellung des Grundbesitzes der Stadt Hannover, S. 67
  • Entwurf. Bedingungen für die Vereinigung der Stadtgemeinde Linden mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Hannover, S. 68
  • Entwurf. Anderweitige Vorschriften betreffend die Vereinigung der Stadtgemeinde Linden mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Hannover, S. 68

Ein weiteres interessantes Dokument zur Vereinigung von Hannover und Linden ist die nur wenige Seiten umfassende Schrift „Warum ich für die Eingemeindung gestimmt habe“ von Wilhelm Schickenberg, erschienen 1919 als Band 2 der Kommunalpolitischen Hefte aus Hannover. Schickenberg war Dienststellenleiter des Kriegsfürsorgeamts in der Leinstraße, (vgl. Mlynek u.a., Geschichte der Stadt Hannover Bd. 2, S. 411) und damit einer der besten Kenner der sozialen Verhältnisse in Hannover und in Linden. (Schrift muss noch digitalisiert werden.)

(Red.)

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[1]  Heute erinnert der zentrale Platz vor dem Neuen Rathaus an Tramm, für Leinert blieb nur eine Brücke über die Ihme. Es war 1963 sicher gut gemeint, die Spinnereibrücke, die Linden mit Hannover verbindet, nach dem Oberbürgermeister zu benennen, unter dem die Vereinigung der beiden Städte vollzogen wurde. Der Name Leinertbrücke hat sich aber nie richtig durchgesetzt, im Volksmund ist es immer noch die Glocksee– oder Spinnereibrücke.

[2]  An den Verhandlungen waren seitens Hannovers u.a. beteiligt: Oberbürgermeister Leinert, Bürgermeister Weber, die Senatoren Meyer, Bähr und Grote, die Stadtbauräte Bock und Wolf, Direktor Dr. Seutemann, Assessor Hofmann und eine Reihe von Bürgervorstehern.

Auf Lindener Seite waren u.a. dabei: Oberbürgermeister Lodemann, die Senatoren Engelke und Bayer, Stadtbaurat Behrens, die Bürgervorsteher Mey, Stille, Burmeister, Dunkelberg, Pabst, Plumhoff, Sporleder und Kramer.

Dokumente/ Materialien

Die Schrift Betr. Die Vereinigung der Städte Hannover und Linden ist in vier Abschnitte unterteilt:

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