Stichpunkt

Zwei Dörfer Linden

Von Platens Besitz, Ausschnit aus der Flurkarte von 1765 (A. Asche)   Digitales Stadtteilarchiv, Sammlung Bohne

18. / erste Hälfte 19. Jahrhundert

Zwei Dörfer: Alt-Linden und Neu-Linden

Um 1700 kommt Bewegung in das dörfliche Linden, als Graf Franz Ernst von Platen 1688 das Gut Neu-Linden von der verarmten Adelsfamilie von Alten übernimmt (mit Rückkaufsrecht) und Ländereien dazukauft. Auf dem Höhepunkt seiner steilen Karriere am Hofe des Herzogs Ernst Augusts in Hannover lässt er sich in Linden ein Schloss bauen und einen Garten anlegen – ganz im Stile absolutistischen Prunks repräsentativer Schloss- und Parkensembles.

War die Arbeit der Menschen im Dorf über Jahrhunderte landwirtschaftlich ausgerichtet, so eröffnen sich mit dem Einzug der Familie von Platen in Linden neue Arbeitsfelder mit handwerklichen Tätigkeiten. Es entstehen u.a. Kalkbrennerei und Ziegelei, Schmiede, Ölmühle, Wachsbleiche, Meierei und Bierbrauerei.

Gleichzeitig lässt von Platen eine neue Straße [1] angelegen, um dort Handwerker – vornehmlich Leineweber – anzusiedeln. Das geschieht keinesfalls selbstlos. „Die Besitzer mussten den Bau selbst bezahlen, sie genossen den gräflichen Schutz und Steuerbefreiung, waren der Familie von Platen jedoch dienstverpflichtet und von ihr in besonderer Weise abhängig.“ [2]

Die Aufteilung in die zwei selbständigen Gemeinden „Alt-Linden“ und „Neu-Linden“ geht letztlich auf den Widerstand alteingesessener Lindener gegen die Ansiedlung auswärtiger Arbeitskräfte  zurück. Dazu heißt es im Adressbuch für 1856:

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts überließ nämlich der Graf von Platen als damaliger Gutsherr, einzelne zum Gute gehörende im Dorfe zerstreut liegende Grundstücke an 46 neue Anbauer, welche in den damaligen Gemeindeverband des Dorfs nicht aufgenommen wurden und daher unter sich einen gemeinschaftlichen Verband behuf Unterhaltung einer Schule traten. […] Beide Arten von neuen Anbauern wurden unter dem Namen des „neuen Dorfes Linden“ begriffen, dagegen die eigentlich alte Gemeinde „das alte Dorf Linden“ bezeichnet wurde.“ [3]

Das Nebeneinander zweier eigenständiger Gemeinden wird 1826 durch das Landdrosteireglement noch einmal amtlich bestätigt. Verwaltungsrechtlich geregelt ist u.a., dass Neu-Linden einen eigenen Vorsteher und einen eigenen Nachtwächter erhält.

Die Lindener Wiedervereinigung zu einer Landgemeinde erfolgt erst 1856, als sich Linden zu einem bedeutenden Industriestandort entwickelt hat.

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[1] In der Weberstraße (Name ab 1839 nachgewiesen) sind heute noch die ältesten Lindener Wohnhäuser erhalten .

[2] Rüttgerodt-Riechmann, Ilse: Neu-Linden, in: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Baudenkmale in Niedersachsen. Stadt Hannover, Teil 2, S. 147

[3] Adressbuch der Königlichen Haupt- und Residenz-Stadt Hannover und ihrer Vorstädte für 1856. Verlag der Lammingerschen Buchdruckerei (Klindworth), Abtheilung III, S. 10

Nach 1700 erbautes Schulhaus in der Weberstraße, Foto von Albert Asche aus den 1920er Jahren.   Festschrift zum 200jährigen Jubiläum der St. Martins-Kirche in Hannover-Linden, 1928, S. 23