Thema

Werner & Ehlers

Stichpunkt

Kesselhaus

 

 

Das Kesselhaus von Werner & Ehlers

Der letzte Zeuge des Industriegürtels an der Ihme – gerettet!

von Walther Engel

Am 11. September 2016 konnte das Kesselhaus der Bettfedern- und Daunenfabrik Werner & Ehlers erstmals wieder ohne Atemmaske und Schutzkleidung betreten werden. Fast zwanzig Jahre lang kümmerte sich keiner um das verrammelte vergammelnde Gebäude. Tauben hatten es besetzt und sich oben unterm Dach häuslich eingerichtet. Die Decke des gigantischen Kessels, die Stiegen aus Metall und die Gänge links und rechts des Kessels waren übersät mit Bergen von Taubenkot. Mit jedem Windstoß, der durch die kaputten Scheiben pfiff, und durch den Flügelschlag aufgescheuchter Tauben wurde alles zu einer Staubwolke aufgewirbelt. Gemischt mit feinsten Asbestpartikelchen ergab das einen äußerst ungesunden Cocktail.

Die Bettfedernfabrik Werner & Ehlers, 1936. Die Fabrikanlage wurde 1943 fast vollständig zerstört, nicht aber das Kesselhaus. Das Maschinenhaus ist heute nicht mehr erhalten.   Quelle: 75 Jahre Werner & Ehlers 1861-1936, Hannover-Linden 1936 (Sammlung Engel/Franke)

Heute braucht niemand mehr um seine Gesundheit zu fürchten, wenn er das Kesselhaus betritt. Seit Herbst 2016 besteht die Möglichkeit, die einmalige Kesselanlage zu besichtigen. Die Termine werden auf der Website der Kesselhaus-Initiative veröffentlicht.

Das Kesselhaus war Teil der alten Bettfedern- und Daunenfabrik Werner & Ehlers, die sich, 1861 in Hannover gegründet, 1890 in Linden an der Ihme angesiedelt hat. Im Oktober 1943 wurde die Fabrik fast vollständig zerstört, nur das Pförtnerhaus, die Wasseraufbereitung und das Kesselhaus hielten dem Bombenhagel stand.

Nach dem Konkurs von Werner & Ehlers im Jahre 1990 gab es verschiedene Begehrlichkeiten und Überlegungen für eine Nachnutzung des ehemaligen Fabrikareals. Über mehrere Jahre waren die Auseinandersetzungen um das heutige Faust-Gelände das zentrale Thema der Politik in Linden. Rückblickend wird dieser Abschnitt Lindener Geschichte, an dem viele Menschen im Stadtteil aktiv beteiligt waren, als „Der Kampf um Faust“ bezeichnet. Dazu wird noch ein eigener Themenstichpunkt folgen.

Heute wird das Leben in der umgestalteten Bettfedernfabrik durch ganz unterschiedliche Gruppen, Initiativen, Firmen und Gewerbetreibende bestimmt. Die beiden größten Nutzer sind der Ökologische Gewerbehof und das Kulturzentrum Faust.

Auch für das Kesselhaus gab es bereits in der Anfangszeit nach dem W & E-Konkurs konkrete Pläne für mögliche Nutzungen. Diese wurden aber nie verwirklicht, weil letztlich die immensen Kosten für die Sanierung des asbestverseuchten Kesselhauses alle weiteren Nutzungspläne zunichte gemacht haben. Allein für die Asbestsanierung des Kesselhauses wurden im März 1990 in einem Gutachten der AGSTA (Arbeitsgemeinschaft für Stadt- und Altbauerneuerung) Kos­ten von 809 400.- DM veranschlagt.

Das Kesselhaus von Werner & Ehlers am 11.9.2016, dem Tag der Wiedereröffnung. Foto: © Walther Engel

Den Aktivitäten der ersten Kesselhausinitiative mit  Rainer-Jörg Grube, Hol­ger Horstmann, Andreas Kleine und Jonny Peter zu Beginn der 1990er-Jahre ist zu verdanken, dass es das Kesselhaus überhaupt noch gibt, denn es gab damals  in der Stadtverwaltung durchaus Stimmen, die für den kostengünstigeren Abriss plädierten, um privaten Investoren den Weg für Wohnungen und Gastronomie zu bereiten. Auch wenn die Pläne der ersten Kesselhausinitiative für „ein Industriemuseum mit dem alten Stahlrohrkessel [gemeint ist Steilrohrkessel, WE] als wesentlichem Ausstellungsobjekt“ (Rainer-Jörg Grube, Sprecher Interessengemeinschaft Fabrikumnutzung, 1991) sich damals nicht verwirklichen ließen, so wurden sie in der Bevölkerung Lindens und von der Presse sehr positiv aufgenommen.

In den 1990er-Jahren wurden immer mal wieder Baumaßnahmen an Fenstern,  Dach und Schornstein durchgeführt, aber nicht in Hinblick auf eine neue Nutzung, sondern lediglich, um das Gebäude zu sichern und den Verfall aufzuhalten. 1993 erschien das Modernisierungsgutachten Faust e.V., das im wesentlichen die Ergebnisse der alten AGSTA-Darstellung um einige aktuellere Zahlen ergänzt.

2011 stellte der renommierte Kessel-Spezialist Eberhard Lantz aus Bamberg bei einem Ortstermin im Kesselhaus fest, dass der Lindener Kessel von der Bauart her ein besonders seltenes, wenn nicht sogar einzigartiges, Exemplar eines Dreitrommel-Steilrohrkessels mit Überhitzer und Economiser ist. Er bescheinigte dem 1927 von der Firma Möller in Brackwede (heute Bielefeld) gebauten Kessel einen sehr guten Zustand. Der monumentale Koloss ist fast acht Meter hoch, hat eine Breite von viereinhalb und eine Länge (mit Economiser) von zehn Metern.

Kessel mit Feuerung, 2011   Foto © Eberhard Lantz

Ein Jahr später kam dann 2012 auch wieder Bewegung in die Diskussion um mögliche Nutzungen des Kesselhauses. Mitglieder des Netzwerks Archive Linden-Limmer e.V. wurden bei der Suche nach Räumen zur Unterbringung von Sammlungen ihrer Vereinsmitglieder auf das Kesselhaus aufmerksam. Mit einer Lindener Geschichtsgalerie im Kesselhaus als zentralem Ort der Stadtteilgeschichte wurde eine alte Idee der ersten Kesselhausinitiative aufgegriffen. Heiko Arndt fasste die Diskussion im Netzwerk Archive zu einem Nutzungskonzept zusammen.

Es folgten fast über ein Jahr verteilt zahlreiche Gespräche mit dem Vorstand der Faust-Stiftung, Bauhistorikern, Vertretern des Denkmalschutzes, Experten der Industrie- und Technikgeschichte und ehemaligen Kesselhaus-Aktivisten.

Am 16.11.2013, im Anschluss an eine  öffentliche Veranstaltung mit dem aus Bamberg angereisten Kessel-Experten Eberhard Lantz, wurde von Jörg Djuren, Walther Engel, Peter Hoffmann-Schoenborn, Hansi Krüger und Jürgen Liedtke die Neue Kesselhausinitiative gegründet.

Im Februar 2014 legten Julia Schmidt und Sören N. Pfeiffer eine Projektarbeit zum Kesselhaus vor. Ihre Untersuchung lief im Rahmen des Forschungsprojektes „FAUST e.V.“ des Institutes für Geschichte und Theorie der Architektur an der Leibniz Universität Hannover, betreut von Prof. Joachim Ganzert. Auf fast 70 Seiten beschäftigen sich die Autorin und der Autor nicht nur mit historischen, städtebaulichen und stadtteilbezogenen Aspekten, sondern sie nehmen auch eine Denkmalbewertung vor.

Die besondere Bedeutung des Kesselhauses samt des einzigartigen Dreitrommel-Steilrohrkessels der Firma Möller aus Brackwede aus dem Jahre 1927 wurde mit einer Broschüre im Oktober 2014  der Lindener Bevölkerung vorgestellt. Gleichzeitig sollten mit der Broschüre Unterstützer für die Sanierung in Politik und Wirtschaft geworben werden.

Eine groß angelegte Spendenkampagne mit ansprechend gestalteten Spendenbausteinen wurde von der Presse und Bevölkerung breit unterstützt.

Im Frühjahr 2015 entstanden zwei Filme von Schülergruppen der IGS Linden zur Unterstützung der Aktionen zur Rettung des Kesselhauses: Linden Kesselhaus – der letzte Zeuge und Last Men Standing. Die Filme wurden bei der Ausstellungseröffnung „Der letzte Zeuge – das Kesselhaus der Bettfedernfabrik Werner & Ehlers“ im April 2015 im Lindener Rathaus mit viel Beifall aufgenommen.

Parallel zur anlaufenden Spendenkampagne hatte der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler von den Grünen einen Antrag auf Unterstützung der Sanierung des Kesselhauses im Haushaltsausschuss des Bundestags eingebracht. Im Juni 2015 kam aus Berlin die Zusage über 125 000 Euro. Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Klosterkammer Hannover und die Niedersächsische Sparkassenstiftung sagten bis Juni 2016 ihre Unterstützung mit stattlichen Beträgen zu. Die Außenbeleuchtung wurde von den hannoverschen Stadtwerken enercity gesponsert. Zusammen mit den gespendeten Architektenhonoraren und der breiten Unterstützung der Bevölkerung waren die Bedingungen des notwendigen Eigenanteils erfüllt.

Im Juni 2016 konnten dann die Arbeiten zur Asbest- und Taubenkotentsorgung beginnen, es folgten zügig die notwendigen Sanierungsarbeiten im und am Gebäude. Die Arbeiten wurden in Rekordzeit von allen beteiligten Firmen erledigt. Nach nur drei Monaten Sanierung durften pünktlich am 11.9.2016, dem Tag des offenen Denkmals, die ersten Besucher das Kesselhaus wieder betreten.

MdB Sven-Christian Kindler, Rede zur Eröffnung des Kesselhauses am 11.9.2016   Foto: © Dietmar Franke

Seit der Eröffnung im Jahre 2016 ist es still geworden rund ums Kesselhaus. Bisher gab es eine öffentlichen Veranstaltung im Jahre 2017, bei der es um die weitere Nutzung ging. Ein Diskurs unter Beteiligung der Öffentlichkeit würde dem Projekt Kesselhaus sicher nicht schaden.

Texte/ Stichpunkte

Dokumente/ Materialien