Thema

Verfassungen

Vom Dorf – zur Stadt – zum Stadtbezirk

Verfassungen / Rechtsrahmen

Der Begriff „Verfassung“ wird heutzutage landläufig nur im Zusammenhang mit der obersten  Rechtsnorm größerer Gliederungen – wie z.B. Staaten und Länder – gebraucht. Früher war es durchaus üblich, den Begriff auch auf kleinere und lokale Gliederungen anzuwenden, z.B. wurde von Dorf- oder Stadtverfassung  gesprochen. Damit war die Gesamtheit der rechtlichen Rahmenbedingungen und Regelungen gemeint, die für das Zusammenleben der Menschen in den jeweiligen Bereichen galten.

Im Adressbuch für Hannover und Linden von 1856 ist unter der Überschrift „Verfassung. A. Residenzstadt Hannover“  folgendem Hinweis zu lesen: „An Stelle der seit 1724 gültigen Stadt-Verfassungs-Urkunde ist die Städteordnung vom 1. Mai 1851 nebst dem Ortsstatute vom 2. Juli 1853 getreten; nach ihnen wird nunmehr die Stadt verwaltet.“ [1]

Aus dem Adressbuch der Königlichen Haupt- und Residenz-Stadt Hannover und ihrer Vorstädte für 1856     Sammlung Engel / Franke

Der Verfassung der Vorstadt Glocksee [2] und des Vororts bzw. Dorfes Linden sind im zitierten Adressbuch zwei eigene Abschnitte gewidmet. So erfährt man, dass der aus drei Vorstehern und einem Bürgermeister bestehende Magistrat der Vorstadt Glocksee derzeit noch dem Amte Linden und der königlichen Polizeidirektion unterstellt ist. [3]

Was alles zum Amt Linden gehört, steht im Abschnitt „Vorort oder Dorf Linden“:

Linden bildet mit der Vorstadt Glocksee, den Dörfern Ahlem, Davenstedt, Limmer, Velber, Bornum, Badenstedt, Lenthe und Ricklingen ein K. Amt, steht aber zugleich unter der Kön. Polizeidirektion zu Hannover.“ [4]

Linden blickt auf eine 900-jährige Geschichte zurück. Zwei Drittel der Zeit seit der ersten urkundlichen Erwähnung ist Linden ein kleines Bauerndorf. Idyllisch vor den Toren der gut befestigten Stadt Hannover gelegen, bietet es nach dem Dreißigjährigen Krieg dem Adel Orte für luxuriöses Wohnen und Lustbarkeiten. Linden entwickelt sich zum Villenvorort Hannovers.

Mit Graf von Platen kommt um 1700 Bewegung in die Wirtschaft. Er sorgt für die Entstehung von Gewerbebetrieben und lässt eine Webersiedlung bauen. Damit ist der Grundstein für die  Entwicklung von Handwerk und Gewerbe gelegt. Die „von Platensche Kolonie“ [6] entwickelt sich zum Zentrum eines neuen Dorfs: Neu-Linden. 1826 wird durch das Landdrosteireglement das Nebeneinander der beiden eigenständigen Gemeinden Alt-Linden und Neu-Linden amtlich bestätigt. Erst 1856 werden beide wieder zu einer Landgemeinde vereinigt.

Das 19. Jahrhundert ist durch die Industrialisierung geprägt, die zu Beginn mit Johann Egestorf und später mit Georg Egestorff untrennbar verbunden ist. Mitte des Jahrhunderts hat sich Linden zu einem bedeutenden Industriestandort entwickelt, für den die dörfliche Verfassung nicht mehr ausreicht. Linden wird 1885 eigenständige Stadt, und gleichzeitig Verwaltungssitz des Landkreises Linden. Die Bevölkerungszahl und die Fläche wächst durch Eingemeindungen umliegender Dörfer (1909 Limmer, Badenstedt, Davenstedt und Bornum / 1913 Ricklingen) erheblich. Am Ende der 35 Jahre währenden Eigenständigkeit leben ca. 83 000 Menschen in der Stadt.

Mit der Eingemeindung nach Hannover zum 1.1.1920 wird Linden zum Stadtteil. Der Landkreis geht 1939 im Landkreis Hannover auf.

Heute, 100 Jahre nach der Eingemeindung,  ist Linden-Limmer verwaltungstechnisch ein Stadtbezirk von Hannover mit den vier Stadtteilen Limmer, Linden-Nord, Linden-Mitte und Linden-Süd.

Die Dokumente und Materialien zu den unterschiedlichen „Verfassungen“ im Lauf der über 900-jährigen Geschichte Lindens sind folgendermaßen gegliedert:

  • Das Dorf Linden – 12. bis 17. Jahrhundert
  • Die zwei Dörfer: Alt-Linden und Neu-Linden –  18. und erste Hälfte 19. Jahrhundert
  • Dorf und Industriestandort– 19. Jahrhundert
  • Die Stadt Linden – 1885 bis 1920
  • Die Eingemeindung Lindens nach Hannover – 1.1.1920
  • Der Stadtteil Linden (später Stadtbezirk) – ab 1920

(Red.)

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[1] Adressbuch der Königlichen Haupt- und Residenz-Stadt Hannover und ihrer Vorstädte für 1856. Verlag der Lammingerschen Buchdruckerei (Klindworth), Abtheilung III, S. 10

[2]  Vor 1829 gehörte Glocksee zu Linden, wurde dann eigenständige Gemeinde, die 1869 nach Hannover eingemeindet wurde.

[3] Adressbuch 1856, a.a.O, S. 21

[4] Adressbuch 1856, a.a.O, S. 21