Firmenporträt: Mechanische Weberei in Linden vor Hannover, 1891

aus „Hannovers Großindustrie & Großhandel“, geschildert von Paul Hirschfeld

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Die Mechanische Weberei in Linden vor Hannover. [1]

In England war es, wo man aus dem Baumwollgarn jene eigenartigen Sammetgewebe zu erzeugen begann, die unter dem Namen ´Velvets` auf den Weltmarkt gelangten und bald zu Lieblingskindern der Mode ausersehen wurden.“ Die Produkte der kunstvollen Seidenweberei wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Volksmund als Sammet oder Velvet populär. Die 1837 von Adolph Meyer und Alexander Abraham Cohen gegründete Mechanische Weberei an der Blumenauer Straße, dort wo heute das Ihme-Zentrum steht, wurde später auch Lindener Samt genannt, denn mit der Sammetproduktion begann man erst 1858, als das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.

Der Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs 1861 trieb die Mechanische Weberei wegen der ausbleibenden Baumwollimporte fast in den Ruin. Mit der Kapitulation der Südstaaten und dem Ende des Krieges 1865 ging es auch mit der Mechanischen Weberei schnell wieder bergauf. Fast zeitgleich begann „eine neue ruhmreiche Aera für das Etablissement“, als Kommerzienrat Wilhelm Peter Berding als Direktor die Leitung der Fabrik übernahm, der später als Mitbegründer und Vorsitzender des Fabrikanten-Vereins Hannover-Linden eine einflussreiche Position im Wirtschaftsleben innehatte.

Als Beleg für die besondere Qualität des Lindener Samts werden die zahlreichen internationalen Auszeichnungen auf Welt- und Gewerbe-Ausstellungen angeführt. Aber auch die als englisch Leder bezeichneten Hosenstoffe waren wegen ihrer ausgezeichneten Qualität hoch angesehen.

Um das vielverzweigte maschinelle Getriebe dieses gewaltigen Fabrikbereiches, das durch ein Netz von Schienengleisen mit den nahen Güterbahnhofe in Verbindung steht, in Bewegung zu setzen, bedarf es bei vollem Betriebe einer Schaffenskraft von gegen 300 Personen und der Hilfe einer Anzahl von Dampfmotoren mit über 1000 Pferdestärken und der Thätigkeit von 21 Dampfkesseln mit einer Heizfläche von 1500 Qm. Mit diesem bedeutsamen Apparate vermag das Etablissement jährlich gegen 7 Million Meter Velvets und Velvetins sowie gegen 1 Million Meter englisches Leder zu erzeugen…

Am Ende des Firmenporträts verweist der Autor auf die „nachahmenswerthen humanitären Einrichtungen“ der Mechanischen Weberei. Im Einzelnen führt er u.a. die begrenzte Arbeitszeit, Hygiene, Kranken- und Unterstützungskassen und die Kinder-Pflegeanstalt an. Letztere Einrichtung wird genau beschrieben und als „vielleicht einzig in der Welt“ eingestuft.

Der Autor endet seinen Artikel mit dem Satz: „Die Provinz Hannover hat das volle Recht, auf die industriellen und humanitären Leistungen der Mechanischen Weberei in Linden stolz zu sein.“
(WE)
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[1] aus: Hirschfeld, Paul, Hannovers Großindustrie und Großhandel, geschildert von Paul Hirschfeld, mit Unterstützung des Kgl. Oberpräsidiums und der Provinzialbehörden der Provinz Hannover, herausgegeben von der Deutschen Export-Bank Berlin, Verlag Duncker und Humblot, Leipzig 1891, S. 248-251

Das gesamte 434 Seiten umfassende Werk ist als Digitalisat in der Bayrischen Staatsbibliothek zu finden.

Urheber: Hirschfeld, Paul
Sammlung: Materialien ohne Sammlung
Zeitliche Einordnung: 1891
Ort: Blumenauer Straße 7
Personen: Berding, Wilhelm Peter; Meyer, Adolph; Cohen, Alexander Abraham