Firmenporträt: Hannoversche Baumwollspinnerei und Weberei, 1891

aus „Hannovers Großindustrie & Großhandel“, geschildert von Paul Hirschfeld

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Die Hannoversche Baumwollspinnerei und Weberei in Linden bei Hannover. [1]

1853 wurde an der Blumenauer Straße 14, ungefähr dort, wo heute das Heizkraft steht, die derzeit hochmoderne Baumwollspinnerei und Weberei errichtet. Der Autor stellt zu Beginn seines Firmenporträts fest, dass die Baumwollindustrie stärker als andere Industriezweige von internationalen Entwicklungen abhängig war. Die englische Industrie war nicht nur technisch um Jahrzehnte voraus, sie hatte auch „durch die gesetzliche Beschränkung der Einfuhr ostindischer Zeuge einen bemerkenswerthen Aufschwung genommen“. Nachdem die Südstaaten Nordamerikas den internationalen Baumwollmarkt immer stärker beherrschten und die europäischen Staaten in Abhängigkeit von Importen aus Nordamerika gerieten, hatte 1861 der Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs für Europa weitreichende Folgen. Erst mit der Kapitulation der Südstaaten und dem Ende des Krieges 1865 ging es mit der Baumwollindustrie in Linden wieder bergauf.

Die enormen Ausmaße und den außergewöhnlich hohen technischen Standard der Ausstattung der Baumwollspinnerei belegt der Autor mit zahlreichen Beispielen. Es begann mit 50 000 weitgehend automatisch arbeitenden Selfaktorspindeln und 500 Webstühlen. Auf seinem Rundgang über das viereinhalb Hektar große Fabrikareal besucht der Autor alle Bereiche: vom Rohmateriallager mit den Baumwollballen, über Arbeitsräume zur Sortierung und Verarbeitung (Reinigung, Auflockerung, Entstäuben, Verdichten, Auskämmen, Verspinnen, Spulen usw.) bis hin zur Pack- und Versandabteilung.

Das Etablissement, das mittels Schienengleisen mit dem ihm nahe liegenden Güterbahnhof Linden in direkter Verbindung steht, vermag mit seinen über 60 000 Feinspindeln, zu denen sich noch 3628 Zwirnspindeln gesellen, jährlich gegen 5 Millionen Pfund Garne in der Durchschnittsnummer 20 herzustellen. Die gewaltige Kraft, welche es zur Bewegung seines weitverzweigten maschinellen Betriebes beansprucht, geht von 3 Compound-Dampfmaschinen aus, welche eine Gesammtstärke von 1400 Pferden repräsentieren. Sowohl die Räume, in welchen diese Motoren Aufstellung gefunden haben, als auch das großartige Kesselhaus, in welchem 2 Drei-Flammrohr-Stahlkessel mit je 204 qm und 7 Cornwallkessel mit je 80 qm Heizfläche wirksam sind, müssen als sehenswerthe Anlagen bezeichnet werden.“

Der Autor schwärmt aber nicht nur von der technischen Ausstattung, sondern der bezeichnet die hygienischen Verhältnisse und den Feuerschutz für die 800 bis 900 Beschäftigten als mustergiltig [mustergültig]. „Ebenso sind die von der Fabrik angelegten Arbeiterwohnungen, die etwa 100 Familien ein geräumiges und gesundes Heim gewähren, als bemerkenswerthe, das Interesse des Arbeiterfreundes erregende Anlagen zu betrachten.“
(WE)
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[1] aus: Hirschfeld, Paul, Hannovers Großindustrie und Großhandel, geschildert von Paul Hirschfeld, mit Unterstützung des Kgl. Oberpräsidiums und der Provinzialbehörden der Provinz Hannover, herausgegeben von der Deutschen Export-Bank Berlin, Verlag Duncker und Humblot, Leipzig 1891, S. 242-244.

Das gesamte 434 Seiten umfassende Werk ist als Digitalisat in der Bayrischen Staatsbibliothek zu finden.

Urheber: Hirschfeld, Paul
Sammlung: Materialien ohne Sammlung
Zeitliche Einordnung: 1891
Ort: Blumenauer Straße 14 ; Spinnereistraße 1
Personen: Meyer, Adolph